WISSEN
1. Welche Start-ups stellen Cultured
Meat her?
Mittlerweile sind es sehr viele Start-ups, die
wichtigsten:
Europa (vorwiegend Niederlande):
Mosa Meat (NL) – der Mitbegründer Prof.
Dr. Mark Post hat im August 2013 als Erster weltweit in London einen
In-vitro-Meat-Burger präsentiert – die Kosten lagen bei 250.000
Euro, unterstützt von Sergey Brin (Google) und anderen. Im Sommer
2018 bekam sein Unternehmen 7.5 Millionen Euro Support. Meatable
(NL/GB) ist seit 2018 neu am Markt, unterstützt durch die Uni
Cambridge, und startete mit 3,5 Millionen Euro Support.
In
den USA spielt sich am meisten ab: Memphis Meats (USA) hat ab 2015
die ersten In-vitro-Fleischbällchen produziert. Im August 2017 gab's
von Bill Gates, Richard Branson und auch dem Agro-Konzern Cargill 17
Millionen US-Dollar. Der größte Geflügel-Gigant der Welt, Tyson
Foods, ist seit Januar 2018 ebenfalls Investor. Just/Hampton Creek
(bekannt auch als „Beyond Eggs“, USA) wird auch von Bill Gates
unterstützt. Im Sommer 2017 haben sie angekündigt, dass sie Clean
Meat Ende 2018 marktreif haben werden, das war zu forsch, wie wir
heute wissen. In Israel geht's auch ab:
Ende 2017 hat das Projekt SuperMeat 3 Millionen US-Dollar als
Unterstützung bekommen, unter den Investoren ist auch PHW – also
Wiesenhof, der Geflügel-Gigant aus Deutschland. Aleph Farms (Israel)
arbeitet u.a. am Clean-Meat-Steak. also einer besonderen
Herausforderung in Bezug auf die Textur. 2019 gab es dafür knapp 12
Millionen US-Dollar von Cargill und anderen.
Mittlerweile tut
sich auch in anderen Teilen der Welt sehr viel: In Japan gibt
es das „Open-Source-Shojinmeat-Project“
mit ihrem Start-up Integriculture.
Aber auch in Indien, Singapur und vielen anderen Ländern geht's
jetzt los.
2. Wann kommen die Produkte auf den Markt?
Das
ist eine gute Frage. In der ersten Phase kommen Prototypen auf den
Markt, sehr teuer, mit Prominenten, die die Produkte promoten.
Idealerweise sind da ein paar fancy neue Fleischsorten dabei,
vielleicht ein Krokodil-Känguru-Pinguin-Burger, ohne Cholesterin,
mit viel weniger gesättigten Fettsäuren, viel Omega-3-Fettsäuren,
ohne Antibiotika, mit einer guten Ökobilanz und ohne ein Tier dafür
töten zu müssen. So ein Markteinstieg würde vielen Kritikern
gleich mal den Wind aus den Segeln nehmen und Clean Meat aus der
„Laborfleisch-Ecke“ holen. Es wäre dann das hippe „Fleisch
2.0“, das nicht aus dem Labor kommt, sondern aus der
Fleischbrauerei. Auch Bier oder Joghurt werden ja zuerst im Labor
entwickelt, und dann in Brauereien oder Molkereien hergestellt, bei
Clean Meat ist das genauso.
In einer zweiten Phase geht's um den
Massenmarkt, um normale Fleischsorten, aber zuerst nur um Burger,
Würste usw. Diese Phase ist erreicht, wenn Clean Meat preislich
konkurrenzfähig ist mit Fleisch aus industrieller Tierhaltung.
In
einer dritten Phase kommen kompliziertere Produkte dazu, vor allem in
Bezug auf die Textur, also z.B. Steaks. Wann genau diese drei Phasen
Realität werden, kann ich immer noch nicht wirklich prophezeien.
3.
Wie viele Tiere benötigt Cultured Meat?
Wieder eine Frage, die
nicht final geklärt ist. Aber es werden viele Zehnerpotenzen weniger
Tiere sein als in der qualvollen Maschinerie der weltweiten
Massentierhaltung. Letzteres sind 75 Milliarden Tiere pro Jahr, ohne
Wassertiere. Um Ausgangszellen von Zeit zu Zeit zu erneuern, wird es
Spendertiere für Clean Meat brauchen. Um Ausgangszellen von Zeit zu
Zeit zu erneuern, wird es Spendertiere für Clean Meat brauchen. Als
Anhaltspunkt nehmen wir mal an, dass auf eine Million Tiere in
Massentierhaltung vielleicht ein Tier kommt – in einer Welt, in der
Clean Meat die Massentierhaltung abgelöst hätte. Das wären dann
weltweit 75.000 Tiere. Diese Tiere könnte man perfekt halten: Auf
die Kosten von 1 kg Fleisch hätten die Haltungskosten keinen
Einfluss, weil ein Schwein nicht mehr 60 kg Fleisch liefert, sondern
60 Millionen kg. Und man lässt diese Tiere leben.
4. Benötigt die Herstellung von
Cultured Meat noch Kälberserum?
Wenn Clean Meat auf den Markt
kommt, sind Nährmedium und Wachstumsfaktoren natürlich längst
vegan. Andernfalls wäre es sowieso viel zu teuer und zu
unhygienisch. Viele der bereits genannten Firmen betonen, das Problem
schon gelöst zu haben, und keine Zutaten vom Tier mehr zu verwenden,
von den Zellen abgesehen, die man lebenden Tieren per Biopsie
entnimmt. Leider sind die genauen Zusammensetzungen der Nährmedien
zumeist Firmengeheimnis.
5. Wie gesund ist Cultured Meat?
Ich
behaupte, es gibt bis heute weltweit kein Fleisch, dessen
gesundheitliche Vorteile die Nachteile überwiegen. Mit Clean Meat
könnte sich das drehen, weil Nachteile durch die Zusammensetzung der
Nährlösung vermieden und Vorteile optimiert werden könnten. Also
raus mit Cholesterin, Purinen, gesättigten Fettsäuren, freien
Radikalen, Neu5GC, Antibiotika, Nitrosaminen, TMAO-Ausgangssubstanzen
usw. aus dem Fleisch, und dafür beispielsweise mehr
Omega-3-Fettsäuren rein. Gesundheitliche Vorteile sind durch die
bessere Beeinflussung des Produkts erklärbar. Zudem fallen Gefahren
wie globale Pandemien aus der Massentierhaltung weg. Und die Gefahr,
dass durch den massiven Einsatz von Antibiotika in der
Massentierhaltung eines Tages keine Antibiotika mehr funktionieren
werden, würde wohl auch gebannt. Vorteile für die Welternährung
ergeben sich durch die effizientere Umwandlung pflanzlicher Kalorien
zu Clean Meat gegenüber der ineffizienten Umwandlung der
Futtermittel zu Fleisch in der Massentierhaltung.
6. Welche
sonstigen Vorteile hat Clean Meat – gegenüber Fleisch aus der
Massentierhaltung?
Ökologische Vorteile sind u.a. deutlich
weniger Wasser- und Flächenverbrauch, was auch die Artenvielfalt und
die Regenwälder schont. Eine deutlich bessere Klimabilanz ergibt
sich somit auch, hinzu kommen der Wegfall von Lachgas aus Tiergülle
und Methan aus der Verdauung von Wiederkäuern. Der Wegfall von
gigantischem Tierleid in der Massentierhaltung ist sowieso
unermesslich.
7. Was lässt sich über die Ökobilanz von
Cultured Meat – im Vergleich zu Fleisch und zu pflanzlichen
Fleischalternativen sagen?
Endgültige Ökobilanzen kann man erst
berechnen, wenn konkrete Produkte am Markt sind. Was man aber heute
schon abschätzen kann: Die direkte Verwendung von Pflanzen wird
immer am effizientesten und damit am umweltfreundlichsten sein. Die
Zielgruppe für Clean Meat sehe ich persönlich auch gar nicht bei
den vegan lebenden Menschen, sondern bei der omnivor lebenden großen
Bevölkerungsmehrheit.
8. Mit welchem Umsatz rechnen die
Hersteller von Clean Meat?
Idealerweise ersetzen Clean Meat und
pflanzliche Fleischalternativen eines Tages die gesamte weltweite
Massentierhaltung. Dann geht es um viele hunderte Milliarden Euro
jährlich.
Info: www.futurefood.org
17. Oktober 2019